Hannover I NWZ vom 09.06.2016

„Verfehlungen der Staatsanwaltschaft Oldenburg“ bei den Ermittlungen werden im Abschlussbericht kritisiert. Ministerin Rundt will die Vorschläge des Ausschusses für mehr Patientensicherheit schnell umsetzen.

Patientenfürsprecher, Stationsapotheker, Arzneimittelkommissionen: Die Krankenhäuser in Niedersachsen stehen nach den Patiententötungen in Delmenhorst und Oldenburg vor einer umfassenden Reform. Der Landtag debattierte am Mittwoch über den Abschlussbericht des Sonderausschusses „Patientensicherheit“, der nach 16 Monaten seine Arbeit beendet hat. Gesundheitsministerin Cornelia Rundt (SPD) kündigte ein Maßnahmenpaket an. „Nun werden wir die Vorschläge des Sonderausschusses in Angriff nehmen.“

Die vier Fraktionen im Landtag waren sich einig wie selten. Die Klinikmorde des Ex-Krankenpflegers Niels Högel müssen Konsequenzen haben. „Die unvorstellbaren Ereignisse in den Kliniken in Delmenhorst und Oldenburg haben uns alle erschüttert“, sagte Rundt.

Högel wurde in sechs Fällen verurteilt. Er verbüßt eine lebenslange Freiheitsstrafe. Der Ex-Pfleger hat im Prozess allerdings die Tötung von rund 30 Patienten zugegeben. Die Polizei untersucht insgesamt sogar mehr als 200 Fälle.

„Nach heutigem Kenntnisstand haben wir es mit der größten Tötungs- und Mordserie der Nachkriegsgeschichte zu tun“, sagte der Ausschussvorsitzende Christian Calderone (CDU). FDP-Fraktionsvize Stefan Birkner sprach von einer „Mordserie ungeheuren Ausmaßes“. Man werde solche Taten möglicherweise nicht verhindern können, sagte der Grünen-Abgeordnete Thomas Schremmer. „Aber wir können sie erschweren.“

Von den Vorschlägen des Sonderausschusses sind einige bereits umgesetzt. Unter anderem die Einführung der Patientenfürsprecher, die mittlerweile fast alle Kliniken haben. Das Gesundheitsministerium will zudem in Kürze einen Landesbeauftragten für Patientenschutz installieren.

Weitere Vorschläge auf der Liste: Blutentnahme und -untersuchung als obligatorischer Teil einer jeden Leichenschau, Arzneimittelkommissionen in den Kliniken einrichten, Stationsapotheker einstellen, anonyme Meldesysteme schaffen, Pfleger besser schulen und betreuen.

Rundt sicherte eine schnelle Novellierung des Niedersächsischen Krankenhausgesetzes zu. „Die Landesregierung muss die Krankenhäuser finanziell in die Lage versetzen, die Veränderungen in den Abläufen umsetzen zu können“, forderte die CDU-Abgeordnete Annette Schwarz (Delmenhorst).

Im Bericht werden auch „Verfehlungen der Staatsanwaltschaft Oldenburg“ bei den Ermittlungen gegen Högel kritisiert, die auch zu Verfahrensverzögerungen geführt hätten. Der Ausschuss fordert Reformen bei der Staatsanwaltschaft, die durch das Justizministerium und die Generalstaatsanwaltschaft überwacht werden sollen.

„Es hat Mängel gegeben, die absolut untragbar sind“, sagte der Sprecher der Opfer-Angehörigen, Christian Marbach (Ganderkesee), der NWZ. Er forderte vom Ministerium die „sofortige Abberufung“ des Leiters der Staatsanwaltschaft, Roland Herrmann.