Merzen I Bersenbrücker Kreisblatt vom 04. Juli 2017

Beinahe symbolisch wirkte der Name des Versammlungsortes für den Informationsabend der Bürgerinitiative Hackemoor unter Strom: „Zum Löwen“ heißt das Lokal in Merzen, und wie die Löwen kämpften Udo Biemann und sein Team, um noch den Fuß in die Tür zu bekommen für ein ergebnisoffenes und faires Suchverfahren bei der vom Netzbetreiber Amprion in Merzen geplanten Umspannanlage.        

Tatsächlich wurde der Knoten – besser: ein Knoten – durchschlagen: Der Leiter des Amtes für regionale Landesentwicklung (ArL) konnte sich der geschickten Argumentation und dem zunehmenden Druck im Saal nicht entziehen. Er gab seine anfänglich starre Haltung auf und sagte zu, die gut begründete Forderung nach einem Raumordnungsverfahren (ROV) „mitzunehmen“ und nochmals intensiv zu prüfen.

Deutlich wurde, dass die „große Politik“ den weitestgehend überirdischen Verlauf der geplanten 380-kV-Leitung vorantreibt und den Standort der Umspannanlage schnellstens festschreiben möchte. War die Bürgerversammlung trotzdem ein Erfolg ? Ohne Zweifel, denn es gibt einen neuen Hoffnungsschimmer – geradezu erzwungen von BI-Initiatoren, Bürgern sowie Kommunalpolitikern und unterstützt vom Landkreis Osnabrück. Kreisrat Dr. Winfried Wilkens hatte sich früh für ein ROV zum Umspannwerk und für Erdverkabelungs-Lösungen eingesetzt. Er stellte in der Diskussion die rechtliche Situation von bis zu fünf verschiedenen Genehmigungen für eine Ausbaumaßnahme in Frage.

„Wir reden heute Klartext“ startete Udo Biemann seinen kämpferischen Rückblick – auf Aktionen mit anderen Bürgerinitiativen, eine Fahrt zu Vertretern des Niedersachsenparks, um dortige Chancen für ein Umspannwerk auszuloten, Treffen der Beteiligten in Berlin („eine Alibi-Veranstaltung“), eingeholte Expertisen und Termine mit Rechtsberatern, Teilnahme am Dialogforum Cloppenburg, wo der Netzbetreiber Tennet per ROV durchaus verschiedene Standorte für ein Umspannwerk prüft, sowie Besprechungen mit Vertretern aus Polit

Die oft frustrierenden Erfahrungen wurden „übertroffen“ von ausbleibenden konkreten Ergebnissen eines Runden Tisches, der unter Teilnahme von Amprion viermal tagte. Transparenz und Prüftiefe wie beim ROV sollten Ziele sein, aber herausgekommen sei nicht einmal eine gemeinsame Abschlusserklärung trotz der Einschaltung von IKU-Dialogexperten. Kriterien für die Standortbewertung wie zwölf Hektar Flächenbedarf, technische Machbarkeit, Erhalt von Schutzgebieten und Landschaftsbild wurden kaum geprüft, viele Fragen blieben offen. Die BI seien als Sündenböcke hingestellt worden. Der angebliche „Termindruck durch Netzüberlastungen“ sei längst widerlegt.

Von einer „Verzögerungs- und Vertuschungstaktik“ sprach Neuenkirchens Samtgemeindebürgermeisterin Hildegard Schwertmann-Nikolay und vergab „eine klare 6“. Sie sei enttäuscht und entsetzt von den Amprion-Versuchen, Zwietracht zwischen den Kommunen zu säen. Sie stellte – wie auch andere – klar, dass mit dem Umspannwerk-Standort die Trassenführung der 380-kV-Leitung ja bereits eindeutig festgelegt werde: „Das können wir nicht akzeptieren“ sagte sie unter großem Beifall.

Den erhielt – in geringerer Form – auch Bersenbrücks Samtgemeindechef Horst Baier, ebenso am Thema interessiert wie die Bürgermeister Gregor Schröder und Detert Brummer-Bange sowie Claus Peter Poppe. Niedersachsen gelte in Berlin als rebellisch, das habe er in Hannover erfahren. In Bayern sei ihm sogar eröffnet worden: „Wir brauchen keinen Strom aus dem Norden“. Man habe dort ein eigenes Konzept. Er setzte Hoffnungen auf Erdverkabelung.

Biemann kritisierte die einseitige Amprion-Präsentation zur 380-kV-Umspannanlage im Neuenkirchener Rat. Technisch sei der Netzbetreiber nicht auf dem neuesten Stand. Ein Freileitungsprojekt sei angeblich zwingend, dabei gebe es Gutachten, die Gleichstrom und damit Erdverkabelung als absolut zukunftsfähig bezeichnen. Der Wald müsse bei dem in Hackemoor geplanten Umspannwerk weiträumig fallen. „Erstmals überhaupt ist auch das Problem Lärm aufgegriffen worden“.

Sarkastische Bemerkungen und skeptische Mienen im Saal gab es, als Franz-Josef Sickelmann, Leiter des Amtes für Regionale Landesentwicklung, behauptete, ein ROV sei gesetzlich nur zulässig, wenn Amprion es beantrage. Merzen sei vom Gesetzgeber „nicht ganz grundlos“ als Endpunkt festgelegt worden, weil dort schon Höchstspannungsleitungen mündeten. Der Begriff „Suchraum“ würde so ad absurdum geführt, warf ein Zuhörer ihm vor.

Anzeichen von Nervosität zeigten Sickelmann und Bernhard Heidrich (ArL), als Udo Biemann verdeutlichte, dass gemäß amtlicher Verlautbarung „…neu zu errichtende Umspannwerke…“ nicht Punkt-, sondern Streckenmaßnahmen seien, die zwingend ein ROV erforderten. Die Quelle – „Bestätigung Netzentwicklungsplan Strom (Zieljahr 2024)“ der Bundesnetzagentur – warf der BI-Chef gleich mit an die Wand. Die Bitte von Sickelmann, ihm diese zu überlassen, sorgte für Gelächter im Saal.

Auch seine Bemerkung „Wenn etwas nicht richtig gemacht wurde, werden wir das prüfen. Dafür sind wir hier“ stieß nicht auf Wohlwollen. „Solche Quellen müssten Sie doch selbst längst haben. Am Anfang haben Sie so getan, als wenn alles 100%ig in Ordnung wäre. Jetzt versuchen Sie, die Kurve zu kriegen“ warf ihm ein älterer Zuhörer vor.

Bundesbedarfsplan (BBPlG), Erdverkabelung und Autobahnkorridore – von Teilnehmern aus dem BI-Team eindringlich vorgetragen – waren weitere Problemfelder, zu denen meist Bernhard Heidrich Stellung nahm. D1/D2-Trassen seien als allzu konfliktträchtige Lösungen verworfen worden. Kreisrat Dr. Winfried Wilkens hielt fünf verschiedene Genehmigungen für eine Ausbaumaßnahme nach 51b (Vorzugskorridor) für rechtlich fragwürdig. Die besten Lösungen für Standorte sowie für 110-kV- und 380-kV-Einleitungen seien nur per ROV zu finden. Der CDU-Landtagsabgeordnete Christian Calderone erklärte „Wir arbeiten daran, die Landesregierung zu einer Bundesratsinitiative zu bewegen, neue Technologien zu berücksichtigen“.

Wie lange die Bearbeitung dauere, wenn Amprion tatsächlich einen ROV-Antrag stelle, fragte jemand. Zur dringenden Bitte von Frederik Abing, die ROV-Forderung nochmals unvoreingenommen zu prüfen, war Sickelmanns Antwort: „Ja, selbstverständlich!“

Den Dank an Teilnehmer, Politiker und ArL drückte Udo Biemann aus, der für sein Schlusswort „Wir sind nicht am Ende, wir fangen jetzt erst richtig an“ große Zustimmung fand.