Hannover I „Rundblick – Politikjournal für Niedersachsen“ vom 20. Juni 2018

Ein Kommentar von Martin Brüning:

„Ein Blick zurück, ein Schritt nach vorn“ lautet der Titel der Biographie des scharfzüngigen ehemaligen Vorsitzenden der Linken, Gregor Gysi. Es ist auch das richtige Prinzip am Tag nach der Feiertags-Entscheidung im niedersächsischen Landtag. 

Der Blick zurück: Es hätte eine der wenigen Sternstunden des Parlaments werden können, aber dafür war der Großteil der Reden dann doch nicht stark genug. Ein Redner wie Gregor Gysi hätte der Debatte gut getan. Auffällig war, dass ausgerechnet die Befürworter des Reformationstages argumentativ eher schwach auf der Brust waren. Niemand konnte richtig überzeugend darlegen, warum nun ausgerechnet der Reformationstag zwingend der neue gesetzliche Feiertag im Land werden muss. Vielleicht hat die vorzeitige Siegesgewissheit die Anstrengungen gedämpft, doch noch Abgeordnete überzeugen zu wollen. Aber auch die Befürworter anderer Feiertage zeigten sich nicht dazu in der Lage, mit einer mitreißenden Rede Parlamentarier für den vorgeschlagenen Feiertag für sich zu gewinnen.

Eine Ausnahme gab es. Der CDU-Landtagsabgeordnete Christian Calderone aus Bersenbrück warb mit einer klugen Rede für den Buß- und Bettag und argumentierte sogar mit Zitaten von evangelischen Theologen. Chapeau.

In der Landtagsdebatte wurde auch noch einmal deutlich, woran es bei der Großen Koalition in den vergangenen Wochen gefehlt hatte: an Diskussionskultur. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Jens Nacke, bedankte sich zwar für eine „spannende Debatte im Land“ und Ministerpräsident Stephan Weil sagte, es handle sich um „die Schlussdebatte einer jahrelangen Diskussion“. Offen blieb allerdings, welche Debatten das wohl gewesen sein sollen. Erst jetzt, kurz vor Toresschluss, wurde das Meinungsspektrum im Landtag deutlich, ohne dabei Bauchschmerzen und Kritik, die in der Anhörung deutlich geworden waren, genau abzubilden.

Ob der Reformationstag wirklich spaltet, wie die Fraktionsvorsitzenden von Grünen und FDP, Anja Piel und Stefan Birkner, meinten, kann man unterschiedlich bewerten. Einen offenen und guten Dialog im Vorfeld einer solchen Entscheidung stellt man sich aber anders vor.

Ein Schritt nach vorn: Nun hat der Landtag mit 100 von 137 Stimmen entschieden und auf Niedersachsen kommt dieselbe Aufgabe zu wie auf die deutsche Nationalmannschaft nach der Niederlage gegen Mexiko: einen Haken dranzusetzen und nach vorne zu schauen. Dabei sollten beherzt die Aufgaben angegangen werden, die sich aus der Entscheidung ergeben. So sollte die evangelische Kirche zügig den Kontakt zu Katholiken und jüdischen Organisationen suchen, um den angekündigten „Dialog der Religionen“ am Reformationstag in die Praxis umzusetzen. Es wäre gut, frühzeitig ein Zeichen zu setzen, dass der 31. Oktober wirklich ein „weltoffener“ Tag wird, wie es der evangelische Landesbischof Ralf Meister in der Anhörung im Landtag angekündigt hatte.

Auch die Landesregierung sollte auf die Kritiker zugehen, um keine verbrannte Erde zu hinterlassen. Es sollte nicht der Eindruck entstehen, dass Anhörungen lediglich eine Spielerei der Landespolitik sind. Denn eines muss festgestellt werden: der Eindruck, der sich aus der Anhörung ergab, spiegelt sich nicht im recht eindeutigen Votum des Parlaments für den Reformationstag wieder. Von Anfang an ging es SPD und CDU vor allem um einen freien und weniger um einen Feiertag. Nun muss eben nachträglich der neue Feiertag mit Sinn gefüllt und die Scherben müssen zusammengekehrt werden.

„Den Frieden kauft man nie teuer, denn er bringt dem, der ihn kauft, großen Nutzen.“ Dieses Zitat kann sich die Landesregierung schon einmal ins Aufgabenheft schreiben. Es stammt natürlich von Martin Luther.