Hannover I KirchenZeitung im Bistum Hildesheim vom 19. April 2018

Religion gehört zu ihrem Abgeordnetenprofil: Uwe Santjer (SPD), Christian Calderone (CDU), Eva Viehoff (Grüne) und Björn Försterling (FDP) sind die kirchenpolitischen Sprecher ihrer Landtagsfraktionen. Was denken sie über Kirche? Wie stellen sie sich Gott vor? Woran glauben sie? Unser Redakteur Rüdiger Wala hat sie gefragt.

Christian Calderone.

Christian Calderone.

 

Christian Calderone: Gott als Instanz

Nein, Ministrant war Christian Calderone nicht: „Da hatte ich Klavierunterricht“, sagt der gebürtige Bremer. Aber die Katholische Schule hat er dann doch besucht, bis zum Umzug nach Quakenbrück, wo er heute noch lebt. Und dort wurde es dann noch klassischer: Zeltlager, Katholische Junge Gemeinde, Pfarrgemeinderat, Lektor.

Lektor ist der 1977 geborene noch heute – allerdings seltener, wie der Christdemokrat zugibt: „Sonntags bin ich weniger im Gottesdienst.“ Aus zwei Gründen: Wer politisch im Land wie kommunal aktiv ist, ist Gast und Redner bei Frühschoppen am Sonntag und Ehrungen am späten Samstag­abend. „Außerdem suche ich im Gottesdienst eher die Stille“, meint Calderone. Gern besucht er die heilige Messe am Montag um 7.15 Uhr im Dom zu Osnabrück oder Werktagsgottesdienste: „Reduzierung auf das für mich Wesentliche“, erläutert er diese Vorliebe.

Gemeinsam mit anderen Abgeordneten organisiert er das Gebetsfrühstück im Landtag: Politiker verschiedener Fraktionen kommen zusammen. Einer bringt einen Vers aus der Bibel oder eine Losung mit, darüber wird sich dann ausgetauscht: „Das ist eine wertvolle Erfahrung.“

Nicht vor jeder, aber vor wichtigen Entscheidungen sucht Calderone die Zwiesprache mit Gott – oder manchmal sucht das Gebet auch ihn: „Beim Autofahren oder im Büro, das hat es schon gegeben.“ Es gibt aber keine festen Zeiten oder Rituale, die er damit verbindet. Trotzdem: „Das sind Auszeiten, die für mich von großer Bedeutung sind.“ Es hilft zudem, vor lauter Verantwortung nicht abzuheben: „Das ist das Gute als Christ – ich weiß, dass ich nicht letzte Instanz bin.“ Das erdet. Calderone macht Politik in der Gewissheit, „dass Fehler von dieser letzten Instanz getragen werden.“ Da ist ein Gott, der im Zweifel trägt.Ohne diese Zuversicht würde der Druck, den er als Abgeordneter spürt, einfach viel zu groß.

Was ist die katholische Kirche für einen gläubigen Politiker wie Calderone? „Zum einen ein Stachel, ein Hinweisgeber, eine Institution, die an die christlichen Wurzeln dieses Landes erinnert.“ Zum anderen ein Träger europäischer Kultur und Geschichte. Und drittens etwas, das Calderone ruhig werden lässt – durch die Eucharistiefeier: „Das ist ein Geheimnis, aus dem ich gut leben kann.“

Uwe Santjer: Kraft durch das Gebet

Uwe Santjer stammt aus einer sozialdemokratisch geprägten Familie: Vater Seemann, Mutter Reinigungskraft. Aber gerade die Mutter war es, die abends am Bett mit den Kindern gebetet und auch christliche Kinderlieder gesungen hat. „Der Glaube war immer da“, sagt der Sozialdemokrat. Als Jugendlicher wurde das für ihn konkreter, vor allem durch die Aktivitäten in seiner Gemeinde. Später als Erzieher und Heilpädagoge hat er unter anderem in zwei katholischen Kitas in Cuxhaven gearbeitet, war später als Fachberater auch weiter für sie zuständig: „Das ist schon eine große Nähe.“ Doch Nähe zu Kirche und zum Glauben versteht Santjer nicht nur ins­titutionell: „Mein Vater ist früh verstorben. Gebete haben mir zu verstehen gegeben, dass er zwar nicht mehr da ist, ich aber noch mit ihm sprechen kann.“ So wird Glaube zur Lebenshilfe – etwas das Santjer, heute Vater zweier Kinder, in der Familie und auch in der Kita weiter vermittelt hat: „Wir brauchen eine Verabredung in der Gesellschaft, wie wir miteinander leben wollen – das finde ich zum Beispiel in den zehn Geboten wieder.“

Regelmäßig liest Santjer die Losungen, etwas unregelmäßiger betet er: „Das kommt immer wieder in Ruhephasen vor, mal morgens nach dem Aufstehen, mal abends, um den Tag abzuschließen.“ Auch zwischendurch sucht Santjer diese Zwiesprache: „Gerade vor wichtigen Entscheidungen gehe ich gern in eine Kirche.“ Vor dem Altar sitzend kann er zu sich kommen, Tragweiten überdenken und „so etwas wie Beratung erfahren“ – für Santjer ganz wichtig. Und manchmal schließt diese Zwiesprache auch mit dem Vaterunser.

Diese Auszeiten helfen Santjer noch in einer weiteren Hinsicht: „Viele Menschen haben mich gewählt und setzen Erwartungen in mich.“ Damit müsse man als Abgeordneter klarkommen. „Die Schuhe, in denen ich laufe, dürfen nicht zu groß werden“, fasst es der 52-Jährige zusammen. Da helfen Gott, Glauben und Gottesdienst. Die Kirche ist für ihn ein Schutzraum: „Und sie hat etwas Solidarisches, ich kann das abladen, was ich auf den Schultern habe.“

Das Bild, was sich Santjer von Gott macht, ist eher ein Gefühl: „Das ist von Güte und von Vertrauen geprägt.“ Er zitiert den Trauspruch aus dem Brief an die Hebräer (10,35), den seine Frau und er gewählt haben: „Werft euer Vertrauen nicht weg, denn es findet reichen Lohn.“ Dieses Vertrauen findet er bei Gott.

Eva Viehoff: Bibel als Inspiration

Eva Viehoff kann auf eine lange Geschichte mit ihrer evangelisch-lutherischen Kirche zurückblicken: „Seit 30 Jahren engagiere ich mich im Kirchenvorstand von St. Marien in Loxstedt“. Eine geradezu klassische Vorbereitung für das Amt als religionspolitische Sprecherin – einschließlich des Gesangs im Gottesdienst: „Das hat für mich eine besondere Bedeutung, ebenso wie die Predigt.“ Klassisch evangelisch.

Die Mutter von drei erwachsenen Kindern ist studierte Agraringenieurin. Insofern fällt ihre Blick auf Gottes Schöpfung gleich dreifach: Als Fachfrau, als Bündnisgrüne – und als Christin: „Es ist manchmal wirklich unbegreiflich, warum wir als Menschen so etwas Schönem wie der Schöpfung so viel Unrecht antun.“ Der Einsatz für die Umwelt ist für sie etwas grundsätzlich Christliches – neben Barmherzigkeit und der Zuwendung zu Menschen.

So konkret für sie christliches Tun ist, so wenig fassbar ist ihre Vorstellung von Gott. Sie vergleicht ihr Gottesbild mit einer Geschichte, die „so ziemlich jeder kennt“, wie sie sagt – die Geschichte von den Spuren im Sand. Dort sind zwei Fußspuren zu sehen, die eigenen und die Gottes. Doch an vielen Stellen, gerade da, wo es schwierig im Leben, gibt es nur eine. „Da hat Gott mich nicht verlassen, sondern mich getragen – und dieses Bild prägt meine Vorstellung von Gott.“

Gebet ist für Eva Viehoff eine bewusste Zwiesprache mit Gott. Fragen stellen, nachdenken, manchmal auch Gedanken schweifen lassen: „Wir sind so häufig von Hektik getrieben, das macht solche Auszeiten so wertvoll.“ Gleiches gilt für die gebürtige Salzgitteranerin (Jahrgang 1958) auch für die Bibel. Sie nimmt die heilige Schrift von Zeit zu Zeit in die Hand, liest Verse, hinterfragt sie: „Das hält mich auf Kurs zwischen den vielen Sitzungen, die der Landtag so mit sich bringt“, sagt sie.

Religion ist für sie vor diesem Hintergrund nicht allein Privatsache, sondern wichtig für die Gesellschaft: „Religionen stiften Werte, ohne die Zusammenleben nicht gelingen kann.“ Als Politikerin will sie mit ihrer Arbeit dazu beitragen, dass Staat und Religionen ein gutes Verhältnis zueinander haben: „Nur so kann es gehen.“

Björn Försterling: Der Konfessionslose

Björn Försterling sieht die Sache nüchtern: „Ich bin kirchenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, weil es zum Zuschnitt der Verantwortung für den Kulturbereich dazu gehört.“ Selbst ist der 35-jährige Liberale konfessionslos. Das hat familiäre Gründe.

„Meine Eltern haben damals entschieden, dass meine Schwester und ich selbst wählen sollen, ob wir getauft werden möchten.“ Mit unterschiedlichem Ergebnis: Die Schwester studiert mittlerweile evangelische Theologie – und der Vater von Försterling engagiert sich seit Jahren im Kirchenvorstand seiner evangelischen Gemeinde. „So verschieden ist es im Leben“, sagt Försterling, der auch bereits in der Grundschule Abstand vom Religionsunterricht genommen hat: „Bilder musste ich schon im Kunstunterricht malen“, erinnert er sich.

Aber woran glaubt der FDP-Politiker persönlich? „Zumindest nicht an eine höhere Kraft, die alles lenkt und fügt“, erläutert Försterling: „Vielleicht eher an das Schicksal, weil nun einmal Dinge im Leben passieren.“ Aber Glaube ist für ihn nicht eine entscheidende Kategorie, an der er sein Leben oder seine Arbeit als Politiker ausrichtet. Da ist er ganz Liberaler und setzt auf die Freiheit des Einzelnen als grundsätzliches Ideal.

Zur Freiheit gehört es aber auch, glauben zu dürfen. „Dafür habe ich größten Respekt“, versichert Försterling. Den Glauben von anderen Menschen würde er nie grundsätzlich infrage stellen: „Sicher, über Ausprägungen kann und muss man diskutieren.“ Schließlich spielt Religion für den gesellschaftlichen Zusammenhalt eine große Rolle.

Das gilt auch für christliche Werte: „Ich mache sie mir nicht persönlich zu eigen“, betont Försterling. Doch schon allein in einer Familie sieht er, dass die Werte durchaus eine Klammer im Zusammenleben sein können: „Im Vaterunser steckt vieles, was unsere Gesellschaft prägt – das ist keine Frage.“ Ähnlich empfindet er, wenn er mit seiner Familie zu Weihnachten oder Ostern einen Gottesdienst besucht: „Hier leben Menschen Gemeinschaft – und das strahlt natürlich aus.“ Im Dezember hat Försterling seinen langjährigen Lebensgefährten geheiratet – standesamtlich, ohne kirchlichen Segen. „Das wäre nicht ehrlich gewesen“, sagt er. Konsequent.