Hannover I Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 19. Juni 2018

Unmittelbar vor der Landtagsabstimmung über einen neuen Feiertag in Niedersachsen am heutigen Dienstag hat die Opposition die rotschwarze Landesregierung scharf angegriffen. FDP und Grüne warfen Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) vor, das Land mit seiner Entscheidung für den Reformationstag zu spalten.

Der zusätzliche Feiertag sei ein reines Wahlgeschenk von Weil, kritisierte FDP-Fraktionschef Stefan Birkner. Der Ministerpräsident habe es aber nicht geschafft, eine breite gesellschaftliche Unterstützung für einen religiösen Feiertag zu finden. „Er hat vielmehr mit dieser Debatte zur Spaltung der Gesellschaft beigetragen.“ Weil werde sich womöglich durchsetzen, der „Kollateralschaden“ sei aber entsetzlich.

Grünen-Fraktionschefin Anja Piel sprach von einer „verpassten Chance“ der Regierung. Der Ministerpräsident habe jetzt Probleme mit den jüdischen Gemeinden und der katholischen Kirche. Weil habe sensible Versöhnungsprozesse „mit Füßen getreten“. „Die Debatte ist vergiftet“, sagte Piel.

Die SPD-Fraktionsvorsitzende Johanne Modder hat unterdessen an die Parlamentskollegen appelliert, bei allem Streit „die Kirche doch im Dorf zu lassen“. Die Bitterkeit, mit der der Streit zuweilen geführt werde, verwundere sie schon, sagte Modder der HAZ. Schließlich gehe es auch darum, das Ungleichgewicht zwischen den vielen Feiertagen im Süden Deutschlands und den wenigen im Norden zu tarieren und Gerechtigkeit zu schaffen. „Die Diskussion, die in den letzten Monaten geführt worden ist, könnte sich allmählich abkühlen“, hofft Modder. Sie erwarte trotz der hitzigen Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit, dass sich doch eine breite Mehrheit für den Reformationstag finde. „Die Mehrheit in der Bevölkerung freut sich jedenfalls über einen neuen Feiertag und erwartet, dass wir zu einem  Beschluss kommen. Wir sollten alle etwas vom Baum wieder herunterkommen.“ Modder äußerte Verständnis für diejenigen, die „mit aller Inbrunst und Engagement“ für einen weltlichen Feiertag streiten. Deshalb habe man auch den Fraktionszwang für die Abstimmung aufgehoben. 

Der Landtag wird heute Nachmittag über den neuen Feiertag abstimmen. Um den Reformationstag durchzusetzen, braucht die Koalition aus SPD und CDU die Stimmen von 69 Abgeordneten. Das Bündnis bringt 105 Abgeordnete auf die Waage. 13 Abgeordnete der Union haben sich mit einem Änderungsantrag des katholischen Abgeordneten Christian Calderone für den Buß- und Bettag ausgesprochen, mit dem sowohl die katholische Kirche als auch die jüdischen Gemeinden keine Probleme haben. Zu den Unterstützern zählt auch der SPD-Abgeordnete Markus Brinkmann.

Die Grünen gehen mit zwei Änderungsanträgen ins Rennen, über die jeweils einzeln abgestimmt werden soll. Der eine ist für den Weltfrauentag (8. März), der andere für den Tag der Befreiung Deutschlands (8. Mai). Die FDP ist gegen einen neuen Feiertag.

Zudem haben nach HAZ-Informationen sieben Abgeordnete der SPD und vier der Grünen noch einen gemeinsamen Änderungsantrag eingereicht: für den Tag des Grundgesetzes am 23. Mai. Den Befürwortern des Reformationstages könnte zugutekommen, dass zuerst über die Änderungsanträge abgestimmt wird und erst danach über den Wunsch der Regierungsmehrheit.