Seit November 2017 amtiert die derzeitige Landesregierung Niedersachsens in großer Koalition aus SPD und CDU. Zeljko Dragic, Vorsitzender des Bersenbrücker SPD-Samtgemeindeverbandes, und stellvertretender Vorsitzender der CDU-Samtgemeindefraktion Andreas Hettwer initiierten eine gemeinsame Podiumsdiskussion mit den Landtagsabgeordneten beider Parteien. Im Hotel Sauerland in Alfhausen stellten sich die Landtagsabgeordneten Christian Calderone (CDU) und Guido Pott (SPD) am vergangenen Samstagabend Fragen und Problemen. Durch die offene Fragerunde sollten die Bürger Gelegenheit haben, sich direkt an die gewählten Abgeordneten zu wenden und erfahren, was diese in Hannover für sie tun, so Dragic einleitend.
„Es ist wichtig, dass wir als große Koalition auch unsere Projekte gemeinsam nach vorne bringen“, so Guido Pott über die Umsetzung der Beitragsfreiheit von Kitaplätzen. Immerhin versprachen CDU und SPD beide im Wahlkampf, dass die Kindergartenbeiträge wegfallen sollen. Dieses sei also ein „Leuchtturm-Projekt“ für Rot-Schwarz in Hannover, wie der gebürtige Wallenhorster betonte. Natürlich müssten die Einnahmen, die den Kommunen dadurch verloren gingen, durch das Land Niedersachsen kompensiert werden. Ein Kompromiss zwischen dem Land und den beiden Spitzenverbänden sei bereits gefunden: Die Personalkostenzuschüsse sollen auf 58 Prozent steigen. Auch die Fragestellung um die Tagesmütter, deren Infrastruktur wegzubrechen drohe, sei in diesem Kompromiss einkalkuliert. „Die Aussage, die wir damit machen wollten, nämlich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu stärken und es jedem Kind zu ermöglichen, in den Kindergarten zu gehen. Da sind wir auf einem guten Weg“, so Pott. „Ich glaube, das große positive Argument für diese Übereinkunft ist die Entlastung des Mittelstandes“, fügte Calderone hinzu.
Ein persönliches Anliegen brachte eine Zuhörerin in die Rrunde ein und fragte, was getan werden könne für junge Menschen mit eingeschränkten Fähigkeiten. Es fehle an Pflegepersonal, wie sie aus eigener Erfahrung berichtete und bemängelte, dass in der Pflege die Versorgung der jüngeren Menschen mit Behinderungen vernachlässigt werde.
Für Calderone sei dies ein aktuelles Thema, mit dem er sich beschäftige. Pott berichtete von einem Projekt der Heilpädagogischen Hilfe in Wallenhorst, das sehr gut angenommen worden sei. Die HPH richtete mit Hilfe von Fachpersonal eine Wohngruppe für zehn junge Menschen mit unterschiedlichen Hilfebedarfen ein. Die Bewohner könnten dort ihren Lebensalltag selbst gestalten und seien autark, hätten jedoch jederzeit die Möglichkeit, Hilfe zu bekommen. Auch für die Samtgemeinde sei der Aufbau einer ähnlichen Einrichtung durchaus möglich, so Pott.
Ganz besonders die Hilfeleistung im Alltag, aber auch die Förderung zur stückweiten Erlangung von Selbständigkeit sei in der Samtgemeinde für junge Menschen mit eingeschränkten Fähigkeiten nicht ausreichend gegeben. Es fehle an den nötigen Assistenzkräften, wie die Zuhörerin mit Nachdruck festhielt. Sie selbst suche seit über zhn Jahren eine Pflegeassistenz für ihren Sohn. Viele Eltern teilten das gleiche Problem.
Zu den angesprochenen Themen des Abends zählte auch die Digitalisierung. „Auf dem Land haben wir in dieser Hinsicht große Defizite“, war aus dem Plenum zu hören. Wie Calderone meint, nehme sich diese Regierung dem Thema besser an als zuvor und sei bereit, in die Digitalisierung zu investieren. „In der Politik haben die Sozialdemokraten, aber auch wir von der CDU den Fehler gemacht möglichst viel zu privatisieren und das rächt sich gerade“, so Calderone. Verankert sei das Problem der mangelnden Datenversorgung auf dem Land also in der Privatisierung der Telekommunikation, die zu wenig den Netzausbau in ländlichen Regionen vorantreibe. Die Politik müsse da entgegenwirken und werde die erforderlichen finanziellen Mittel bereitstellen. Insgesamt werde der Landkreis Osnabrück in den nächsten Jahren 280 Millionen
investieren, um die Voraussetzungen für den digitalen Ausbau zu schaffen. Pott sieht das ähnlich und betont den wirtschaftlichen Nutzen der Digitalisierung. Die digitale Versorgung sei schließlich ein wichtiger Faktor der Infrastruktur. „Wir müssen die Grundvoraussetzungen schaffen, dass die Betriebe zu uns in die Region kommen und dazu bedarf es an den entsprechenden Stellen Datenautobahnen“, wie der Landtagsabgeordnete der SPD sagt.
Das Dauerbrenner-Thema Bahnhalt Alfhausen tauchte ebenfalls auf. Das Engagement um den Anschluss an das Bahnnetz ist in Alfhausen ungebrochen, wie auch in der Diskussionsrunde zu spüren war. Alfhausens Bürgermeisterin Agnes Droste plädierte für die Reaktivierung des Alfhausener Bahnhofs, denn dieser habe großes Gewicht für die Leute im Ort. Gut 300 Pendler, die nach Osnabrück fahren, würden von einem Bahnhalt in Alfhausen profitieren. „Wenn wir auch mal den Druck machen in Hannover. Ich glaube, dann kriegen wir das wirklich hin“, so Droste. Möglichkeiten sehen Pott und Calderone beide. Es fehle bislang jedoch die Bereitschaft der LNVG und der Planos. Mit Blick auf mögliche Fahrverbote in den Städten und emissionsrechtlichen Fragen sei die Entlastung des Verkehrsaufkommens durch zusätzliche Bahnhalte in Alfhausen, aber auch in Vehrte ein entscheidendes Argument, so Pott. „Als schwarz-rote Landesregierung können wir einiges erreichen, wenn wir – CDU und SPD – gemeinsam auftreten und dafür arbeiten“, sagt er.
Die Integration der Flüchtlinge in der Region gelinge mit viel ehrenamtlichem Engagement, mit einer stabilen wirtschaftlichen Situation und einer guten öffentlichen Verwaltung, so Calderone. Doch er gibt zu, die Arbeitsmarktintegration der Flüchtlinge gelingt weniger schnell als Anfang 2015 gedacht. „Das ist ein langer Prozess. Flüchtlinge mit Bleiberecht und Arbeitserlaubnis werden nicht von jetzt auf gleich den Fachkräftemangel ausgleichen können. Das ist eine Aufgabe von Jahrzehnten“, sagt der gebürtige Quakenbrücker. Es benötige die nötige Qualifizierung der Flüchtlinge, fachlich wie sprachlich.
Mit Bezug auf die Debatte um die sogenannten „Ankerzentren“ für Asylbewerber betonte Pott: „Das was da derzeit in der Diskussion ist, kann ich mir so nicht vorstellen“. Diese Ankerzentren seien zwar im Koalitionsvertrag festgehalten, allerdings gebe es noch keine Klarheit darüber, wie diese aussehen sollen. Es sei keine Option große Ballungszentren zu haben, die eine Masse an Flüchtlingen mit geringer Bleibeperspektive zusammenpferche. Für die SPD sei dies ein klares „Nein“. Calderone dagegen hält die Idee, Flüchtlinge mit wenig Bleibeperspektive nicht erst in die Kommunen zu verteilen, sondern an einem Ort unterzubringen, um die Abschiebung und Ausreise besser durchführen zu können, für nicht verkehrt. So könnten Kommunen entlastet werden. „Natürlich besteht kein Interesse daran, dass diese Ankerzentren zu inhumanen Massenlagern werden“, sagt der CDU-Landtagsabgeordnete.
Aus den Reihen der Zuhörer wurde der Wunsch nach einer engen Zusammenarbeit der Parteien beim Thema Einwanderung und Integration der Flüchtlinge deutlich. Auch jene Flüchtlinge, die bereits gut integriert sind, sollten gefördert werden, hieß es. „Da sind wir uns auch einig, dass wir solche Projekte zur Förderung der Integration von Flüchtlingen gemeinsam stützen und unterstützen wollen“, so Pott.
Zu den am Abend angesprochenen Themen zählte auch die Problematik ärztlicher Versorgungslücken auf dem Land. CDU und SPD hatten sich im Koalitionsvertrag bereits auf mehr Studienplätze für Medizin geeinigt. Die Umsetzung weiterer Ansätze zur Stützung der ländlichen Versorgung sei geplant. „Wir sind bei der Erkenntnis dessen, was nötig wäre, weiter als bei der Möglichkeit diese umzusetzen“, so Calderone. „Das was wir tun müssten, ist an die Ursache heranzugehen. Wir bilden zu wenig Mediziner aus“, meint der CDU-Abgeordnete. Den klassischen ländlichen Hausarzt, der 24 Stunden und sieben Tage die Woche erreichbar sei, gebe es nicht mehr. Das könne auch von niemandem erwartet werden. Auch Ärzte haben ein Recht auf geregelte Arbeitszeiten. Calderone sieht die Lösung dieses Problems in der Förderung von Ärztezentren. Die Herausforderung allerdings werde sein, diese Zentren so aufzustellen und zu verteilen, dass möglichst viele Kommunen davon profitieren. „Das Problem ist angekommen und wir versuchen auf Kreis- und auf Landesebene entgegen zu wirken, wo es möglich ist“, bestätigt auch Pott.
Der gemeinsame Diskussionsabend zeigte, dass die Zusammenarbeit zwischen CDU und SPD nicht nur auf Landesebene möglich ist, sofern alle Beteiligten an einem Strang ziehen. Die große Koalition auf Landes- und Bundesebene ist faktisch die Umsetzung des Wahlergebnisses. Andreas Hettwer betonte im Anschluss an die Diskussionsrunde noch einmal, dass der Abend ein Signal für das Bestreben sei, in der Samtgemeinde etwas zu bewegen – und das gelinge auch im gemeinsamen Austausch.