Hamburg I Oldenburgische Volkszeitung vom 08. Dezember 2018
von Giorgio Tzimurtas
Wer unentschlossen nach Hamburg kam, ließ die Reden der Bewerber auf sich wirken. Für so manchen Delegierten war Friedrich Merz unerwartet schwach.
Gegen 17 Uhr löste sich die Spannung in Ausrufen des Triumphes aus. Sprechchöre mit dem Kürzel „AKK“ erklangen, das für Annegret Kramp-Karrenbauer steht. Rhythmisches Klatschen erfüllte die Hamburger Messehallen. Das war der Zeitpunkt, als klar war, dass die bisherige CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer vom CDU-Parteitag zu neuen Vorsitzenden gewählt worden war – zur Nachfolgerin von Angela Merkel, die 18 Jahre lang der Spitze der Christdemokraten gestanden hatte.
Alle Prognosen, die ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen „AKK“ und ihrem Konkurrenten Friedrich Merz vorausgesehen hatten, hatten sich bewahrheitet. Im zweiten Wahlgang votierten 999 Delegierte zu 51,75 Prozent für Kamp-Karrenbauer, Merz erhielt 48,25 Prozent der Stimmen. Der dritte Aspirant, Gesundheitsminister Jens Spahn, war im ersten Wahlgang mit 152 Stimmen gescheitert.
Dass Kramp-Karrenbauer schließlich das Rennen machte, das lag besonders auch an ihrer engagierten Bewerbungsrede, die sich in ihrer Emotionalität deutlich von dem eher nüchternen Vortrag von Merz abhob, der immer wieder auf seinen Spickzettel schaute.
Kramp-Karrenbauer hingegen sprach frei und erhielt beherzten Zwischenapplaus für ihre Rede mit dem Leitmotiv „Mut“. Sie warb dafür, selbstbewußt „Kurs zu halten“ und nicht ängstlich nach links oder rechts zu schauen. Ob bei der Digitalisierung, der Gestaltung der Weltordnung oder in der Frage, was aus Europa wird – „die Antwort liegt nicht in den Sternen, sondern bei uns“, sagte Kramp-Karrenbauer. Dei CDU sei „kein Gemischtwarenladen“, und der Wertekompass liege fest im „C“ der Partei, in der christlichen Prägung. Auch die bekundete Fairness wurde mit Beifall honoriert: „Keiner von uns der Kandidaten wird der Untergang für diese Partei sein“, sagte Kramp-Karrenbauer.
Merz, der erst spät in Fahrt kam, forderte „ein Signal des Aufbruchs und der Erneuerung“ vom Parteitag. Er warb für „klare Positionen“, um bessere Wahlergebnisse zu bekommen. Den stärksten Beifall erntete er mit Aussagen wie „Unsere Gesellschaft ist hilfsbereit und tolerant, aber es gibt auch Grenzen unserer Möglichkeiten.“ Im Dialog mit der Öffentlichkeit, für den er eintrat, müsse auch über Migration und Integration gesprochen werden.
Dieses Thema sprach Spahn ebenso an, forderte kontroverse Diskussionen. Spahn redete aber auch viel darüber, warum er trotz seiner Chancenlosigkeit zur Wahl für den CDU-Vorsitz antrete. Sein Credo: Es werde politisch nichts erreicht, wenn man immer nur geduldig sei.
Einer, der sich Spahn an der Parteispitze gewünscht hätte, ist Andre Hüttemeyer (Visbek), Landesvorsitzender der Oldenburger Jungen Union. Die Rede seines persönlichen Favoriten fand er stark, weil Spahn sich „nahbar“ gezeigt habe, sagte Hüttemeyer, der als Gast auf dem Parteitag war.
Unter den zehn Delegierten aus Südoldenburg waren einige vor Beginn der Bewerbungsreden derweil unentschlossen. Nicht alle wollten offen sagen, für wen sie schließlich gestimmt haben. Doch steht fest: Die Rede Kramp-Karrenbauers hat bei jenen, die sich noch nicht festgelegt hatten, den Ausschlag gegeben. Zum Beispiel bei der CDU-Bundestagsabgeordneten Silvia Breher (Löningen). Merz habe die Erwartungen nicht erfüllt, Kramp-Karrenbauer habe eine „unglaublich gute Rede“ gehalten. Breher erwartet sich nun eine Profilschärfung der Partei. Es sei wichtig, dass bei den Themen Sicherheit und Migration erkennbar werde, „wofür die CDU steht“.
Überzeugt vom Auftritt Kramp-Karrenbauers war auch der Vechtaer CDU-Landtagsabgeordnete Dr. Stephan Siemer. Er habe Kramp-Karrenbauer in beiden Wahlgängen seine Stimme gegeben, weil sie in einer überzeugenden Rede die verschiedenen Strömungen der Partei zusammengefasst und für die Zukunft „hervorragende Akzente“ gesetzt habe.
Zufrieden mit der neuen Chefin ist auch Josef Holtvogt (Emstek), Geschäftsführer des CDU-Landesverbandes Oldenburg. „Sie hat im Gegensatz zu Merz die Herzen der Basis erreicht“, sagte er über seine Kandidatin. Für Merz hingegen war Johann Wimberg, der Cloppenburger Landrat. Er sagte aber auch, dass alle drei Kandidaten sehr gut gewesen seien. Sein Wunsch an „AKK“ lautet, dass schwierige Themen angegangen werden, darunter auch eine Reform des Steuerwesens, die Unternehmern und Arbeitnehmern finanziell mehr Luft lässt.
Der Quakenbrücker CDU-Landtagsabgeordnete Christian Calderone sagte: „Nun kommt es darauf an, dass wir einen Neuanfang in der CDU schaffen.“ Merz habe deutlich gemacht, wo die Herausforderung liege: Wähler, die sich rechts von der CDUder AfD zugewandt haben und jene, die in der linken Mitte zu den Grünen abgewandert sind, zurückzugewinnen.
Für den Garerer CDU-Landtagsabgeordneten Karl-Heinz Bley war der Parteitag insgesamt „ein ganz großes Kino“. Der Wahlkampf, der unter drei fähigen Bewerbern ausgetragen worden sei, habe der Partei gut getan.