Quakenbrück I Offener Brief vom 07. Dezember 2022

Sehr geehrte Frau Gesundheitsministerin Behrens, 

ich wende mich heute mit diesem „Offenen Brief“ an Sie in großer Sorge über die Zukunft der medizinischen Versorgung im Altkreis Bersenbrück. Der Krankenhauskonzern des Bistums Osnabrück „Niels-Stensen-Kliniken“ hat seine Pläne veröffentlicht, das „Marienhospital Ankum-Bersenbrück“ schließen zu wollen. 

Zuletzt im Zuge der Corona-Pandemie wurde gesellschaftlich diskutiert, wie wichtig die stationäre Versorgung auch auf dem Land medizinisch ist. Es wurde hervorgehoben, dass es gerade in Krisenzeiten wichtig ist, hinreichend Bettenkapazitäten in einer dezentralen Struktur vorzuhalten. Hinsichtlich der Anzahl von Betten und Krankenhausstandorten dürfe nicht vom Bedarf im Normalfall, sondern müsse vom Bedarf in Krisenzeiten geplant und gedacht werden. 

Doch der Bedarf ist schon in Normalzeiten vorhanden für ein Krankenhaus in der Mitte des Altkreises Bersenbrück, welches zentraler stationärer Anlaufpunkt für die Samtgemeinde Bersenbrück, die Samtgemeinde Fürstenau und die Samtgemeinde Neuenkirchen ist, mithin also für über 50.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Dies verdeutlicht bereits eine Zahl: Jährlich werden 14.000 Patientinnen und Patienten in der Notaufnahme des Krankenhauses versorgt. 

Deutlich verschlechtern werden sich durch die Schließung auch die Zeiten, in denen Patientinnen und Patienten mit dem Rettungsdienst eine stationäre medizinische Versorgung erreichen werden. Bereits heute hat Niedersachsen die bundesweit schlechtesten Hilfsfristen auch im Vergleich der Flächenländer. Zukünftig wird der Rettungsdienst in unserer Region deutlich länger unterwegs sein, um eine nicht geschlossene Notaufnahme im Notfall erreichen zu können. 

Die Notaufnahme ist bereits heute ein nicht wegzudenkender, relevanter medizinischer Versorgungspunkt in unserem Raum, in dem sich – wie bundesweit – Notaufnahmen aus Überlastung, Bettenmangel oder Personalmangel regelmäßig von der Notfallversorgung abmelden. Und diese Notaufnahme wird in Zukunft wichtiger, weil der allgemeine Ärztemangel sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten insbesondere im ländlichen Raum massiv negativ niederschlagen wird und die Einwohnerinnen und Einwohner deswegen eine zuverlässig geöffnete und qualitativ hochwertige medizinische Anlaufstelle 24/7 noch mehr benötigen als aktuell.

Im Zuge der Schließungsdiskussion hat sich nicht zuletzt die „Ärztekammer Niedersachsen“ für den Erhalt des „Marienhospitals Ankum-Bersenbrück“ öffentlich eingesetzt. Die Mitarbeitervertretung (MAV) weist in einer sehr konstruktiven Weise hin auf die Bedeutung des Krankenhauses als Einrichtung der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum unserer Region, aber auch als größter Arbeitgeber in der Gemeinde Ankum – zwei Drittel der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden durch die geplante Schließung ihren Arbeitsplatz verlieren. Eine Online-Petition hat innerhalb weniger Wochen rund 20.000 Unterschriften erhalten. Dies und die größte Demonstration in der Geschichte der Gemeinde Ankum zeigen eindrucksvoll, dass die Bevölkerung hinter diesem Krankenhaus steht. Kommunale Räte haben Resolutionen zum Erhalt des Krankenhauses verabschiedet. 

Nicht zuletzt ist das Krankenhaus auch in unserer älter werdenden Gesellschaft ein niedrigschwelliger und familiärer Anlaufpunkt. Es ist für die Angehörigen gut erreichbar, die Patientinnen und Patienten sind in Ankum „Person“. 

Das durch den Krankenhauskonzern als Ersatz angekündigte regionale Gesundheitszentrum kann diese zuverlässige Versorgungssicherheit des Ankumer Krankenhauses in keiner Weise kompensieren. Auch im ländlichen Raum ist eine stationäre Grundversorgung mit einer Notfallmedizin nötig. Eine ambulante Tagesklinik ist dafür keinen Ersatz! 

Die unternehmerischen Pläne des Konzerns sind auch deswegen zu hinterfragen, weil das „Marienhospital Ankum-Bersenbrück“ nicht das einzige Haus mit einem diesjährigen Defizit im Konzern ist. Die betriebswirtschaftlich angespannte Lage an allen Klinikstandorten des Konzerns führt aber nur in Ankum zu einer kompletten Zerstörung der stationären Versorgung. 

Und die Entscheidung der Konzernleitung ist zu kritisch zu bewerten, weil aktuell und vor dem Hintergrund eines umfassenden allgemeinen Kostendrucks in der stationären Medizin auf der zuständigen Bundesebene ja bereits diskutiert wird, die Vergütungsstrukturen umzubauen und insbesondere auch die Vorhaltekosten der Krankenhäuser besser auszugleichen. 

Eine „Jahrhundertentscheidung“ zu Lasten des Krankenhauses in Ankum vor dem Hintergrund der zusätzlichen Ausnahmesituation der Energiepreissteigerung und der auch in der aktuellen Corona-Lage geringeren Patientenzahlen zu treffen, ist aus meiner Sicht verantwortungslos, nicht zukunftsgerichtet und nahezu panisch. 

Da nunmehr bundespolitisch diskutiert wird, eine Zusatzunterstützung zu realisieren, gilt es, diese Diskussion abzuwarten (und aus Niedersachsen mit eben dieser Forderung nach mehr Geld für Vorhaltekosten stationärer Einrichtungen im ländlichen Raum zu begleiten).

Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie sind die einzige, die die Schließung des Krankenhauses in Ankum stoppen kann. Der Krankenhausplanungsausschuss, der von Ihrem Ministerium als Organ der Exekutive einberufen wird und nicht durch den Landtag begleitet werden kann, darf den Plänen der Niels-Stensen-Kliniken nicht zustimmen. Und Sie als Ministerin können nicht unbewegt zuschauen, wie das Elend im Altkreis Bersenbrück seinen Lauf nimmt. Es bedarf in der Altkreismitte einer stationären Einrichtung, die an der Notfallversorgung teilnimmt. Eine auch gut laufende Tagesklinik – ob diese gut laufen wird, muss sich im Übrigen nach vielen gescheiterten Umstrukturierungsversuchen am Standort Ankum noch erweisen – kann diese nicht kompensieren. Nicht zuletzt muss die Notfallversorgung im ländlichen Raum aufrecht erhalten werden, um die großen medizinischen Zentren zu entlasten. Es bedarf in Ankum auch weiterhin eines Krankenhauses der Grundversorgung als stationären Versorger mit 24-Stunden-Betreuung mit Notaufnahme, Notfallteam vor Ort und Verlegekapazitäten über den Hubschrauberlandeplatz mit der Möglichkeit der schnellen Verlegung.

Ich bitte deswegen um Unterstützung, ein Moratorium auszurufen und einen „Runden Tisch“ mit medizinischen Vertretern aus der Region über die Niels-Stensen-Kliniken hinaus einzuberufen. Die bürgerschaftlich und damit öffentlich wichtige Entscheidung der stationären Versorgung in der Mitte des Altkreises Bersenbrück kann nicht aus einer rein betriebswirtschaftlichen Perspektive eines in wirtschaftliche Schwierigkeit geratenen Krankenhausverbundes einsam getroffen werden, sondern muss breit getragen werden. 

Nicht zuletzt müssen die tatsächlichen Fristen bis zu Erreichung einer stationären Einrichtung unter Schließung der umliegenden Notaufnahmen, die prognostizierte hausärztliche und fachärztliche Versorgung im Raum in den nächsten Jahrzehnten vor dem Hintergrund des Ärztemangels und die demographische Entwicklung der Bevölkerung in den Blick genommen werden. Dazu braucht es Zeit und keiner schlichten Bestätigung der Ziele des Klinikkonzerns durch das Gesundheitsministerium. 

Das Marienhospital hat die Menschen in der Region immer stolz gemacht! Das soll und muss auch in Zukunft so sein! 

Deswegen bitte ich Sie, sich für den Erhalt einer stationären Versorgung in Ankum politisch einzusetzen. Nur Sie haben die Möglichkeit, die Schließung des Krankenhauses in Ankum durch den Niels-Stensen-Konzern zu verhindern. 

Mit freundlichen Grüßen

Christian Calderone